Der Versammlungsraum des Feuerwehrhauses der Freiwilligen Feuerwehr war mit über 60 Zuhörern aus der Umgebung Stolzenaus besetzt. Nach einer kurzen Vorstellung des aus Landesbergen stammenden Referenten durch den Vorsitzenden Andreas Schumann präsentierte Backhaus im anschaulich bebilderten Vortrag über 90 Minuten die ganze Vielfalt und Komplexität dieses Prozesses, der für die Mittelweserregion eine gewaltige landschaftliche, ökologische und Nutzungsänderung nach sich zieht.
Die Geschichte der Landschaft Mittelwesertal beginnt mit den Eiszeiten der vergangenen zwei Millionen Jahre. Eis und Schmelzwasser haben Gestein aus Nordeuropa und aus dem südlichen Weserraum hierher transportiert und die Weser hat im Verlauf der Jahrtausende sehr häufig ihr Flussbett verlagert. Dadurch konnte sie allmählich ein breites und teilweise über zehn Meter mächtiges Schotterbett aus Sand, Kiesel und Gesteinsbrocken unterschiedlicher Korngrößen aufschütten.
Vor etwa 2000 Jahren begann der Mensch intensiver in die Umgestaltung der Landschaft einzugreifen. Ehemalige Auewälder wichen allmählich neuen Ackerflächen und die Rodungen im Bereich des Ober- und Mittellaufes der Weser sorgten für eine Freisetzung von Böden und Lockermaterial, das die Weser bei guter Wasserführung weit nach Norden ins Mittelwesertal transportierte. Hier lagerte sich der Schlick millimeterweise Jahr für Jahr auf. So liegen heute drei bis vier Meter mächtige sehr fruchtbare Auelehmflächen über dem Kiesbett. Gerade der Kies der hiesigen Region ist wegen seiner spezifischen Zusammensetzung besonders hochwertig, somit bei der Betonherstellung im Hoch- und Tiefbau sehr begehrt. Der Transport über die Wasserstraßen hat eine Reichweite von etwa 150 Kilometern, darüber hinaus werden die Kosten zu hoch. Aber natürlich ist der wertwolle Bodenschatz als Vorrat und zeitlich nur von endlicher Reichweite.
Der Abbau erfolgt historisch betrachtet in einem sehr kurzen Zeitraum. In der Umgebung Stolzenaus begann er etwa Anfang der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, und schon ab etwa 2035 werden alle beplanten Vorkommen ausgebeutet sein. Danach stellt sich der Mittelweserraum in einem absolut veränderten Landschaftsbild dar. Backhaus konnte dies anhand von Luftbildervergleichen aus verschieden Jahren und eingezeichnete Planflächen sehr anschaulich darstellen. Backhaus Vortrag regte zur lebhaften anschließenden Diskussion an. Natürlich erweckt eine so deutliche Darstellung der Problematik auch emotionale Reaktionen bei den Zuhörern. Statt fast reiner Agrarlandschaft auf sehr hochwertigen Auelehmböden werden zukünftig auf Dauer Wasserflächen den größten Raum einnehmen, für die meisten hiesigen Landwirte ein nicht zu vertretender Verlust an wertvollen Produktionsflächen.
Was mit den Kiesteichflächen und Randgebieten im Einzelnen als Folgenutzung geschehen soll, ist nach Meinung anwesender Zuhörer, Diskussionspartner und der Ratsherren Karsten Rubel (CDU) und Volker Speckmann (WG) eindeutig zu einseitig zu Gunsten des Natur- und Landschaftsschutzes verplant worden. Große Bereiche dieser Flächen sind für die Bürger aus Naturschutzgründen nicht zugänglich. Es wurde angemerkt, dass aus ökologischer Sicht stehende Gewässer im Bereich von Flüssen eher untypisch seien. Daher werde es in Zukunft sehr wichtig sein, politische Weichen auch auf alternative Nutzungsmöglichkeiten, für Tourismus, Freizeitaufenthalt, Bademöglichkeiten, Wasser- und Angelsport zu stellen.
Auch wurde bemerkt, dass gerade das rasche Wachstum der Nutzung des Weserradweges und des Fremdenverkehrs in den letzten Jahren als Chance betrachtet werden könne, regionale und wirtschaftliche Strukturen auf dieser Basis im Verbund mit den Wasserflächen zu verbessern. Auch in Müsleringen, mit dem im Verlauf der Dorferneuerung neu gestalteten Dörpplatz wird beobachtet, dass während der Saison der schönen Jahreszeiten ungewöhnlich viele Radwanderer hier eine Pause zur Rast einlegen, betonte ein Diskussionsteilnehmer. Wer es wollte, fände hier und entlang des Radwanderweges auch eine ökonomische Chance vor, die Menschen wollten schließlich in unserer Region essen, trinken und übernachten oder andere Angebote nutzen.
Schumann bedankte sich am Ende und im Namen der Versammlung bei Jörg Backhaus für den hochinteressanten und anschaulichen Vortrag und hofft, Backhaus zu einem agrarpolitischen Thema bald wieder einladen zu dürfen. Mit reichlich Gesprächsstoff und Gedankenaustausch konnte der Abend im Feuerwehrhaus ausklingen.